Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden vom 17.02.2022

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, 

letzte Woche Mittwoch um 22.30 Uhr fiel die letzte Entscheidung im Rahmen der Haushaltsberatungen im Haupt- und Finanzausschuss. Geschlagene 4 Sitzungen haben wir diesen nicht ganz einfachen Haushalt beraten. Und wir sind mit vielen Änderungen und nach intensiven Diskussionen zu einem Finanzplan gekommen, der mittelfristig gerade so ausgeglichen ist. Wer hätte das gedacht, nachdem anfangs ein Haushalt eingebracht wurde, der mit einem Defizit von 4 Mio EUR für 2022 und kumulierten Verlusten bis 2024 von 8,6 Mio EUR geplant wurde. Diese Verluste wären nur durch drastische Sparmaßnahmen bei zeitgleicher Erhöhung der Grundsteuer auszugleichen gewesen. Hier kam auch der Zufall zu Hilfe, in Form von höheren Steuerschätzungen und einer unerwarteten Steuernachzahlung für 2021. Auf einige weitere Effekte werde ich gleich noch eingehen, zunächst gilt mein Dank allen Beteiligten für den guten und intensiven Prozess!

Katja Ebert

Der Verwaltung für:

– die schnelle Beantwortung unserer umfangreichen Fragelisten zum Haushalt

– Hintergrundinformationen in den Fraktionssitzungen und im Präsidium durch die verschiedenen Verantwortlichen

– intensiven Emailverkehr mit Herrn von Ah die letzten 3 Wochen

Allen Fraktionen für:

– die intensiven und stets fairen Debatten in den 4 Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses

– die Disziplin bei der Abarbeitung der Tagesordnung

Angebracht ist jedoch auch eine Manöverkritik am Einbringungsprozess und dem Timing der Nachträge. Generell wurde der Haushalt sehr spät eingebracht. Danach hört man lange nichts aus der Verwaltung – bis dann am 31.01., einen Tag vor der ersten HFA-Sitzung, eine weitere Änderungsliste und ein weitreichender Änderungsvorschlag für die Umwidmung der Hessenkasse vorgelegt wurden. Hier ging es um Millionen, und wir bekamen diese Unterlagen schriftlich mit einem Tag Vorlauf. Warum die Verwaltung das Zahlenwerk zur Hessenkasse bereits 6 Tage vorher in einer handgeschriebenen Aufstellung im Präsidium präsentierte, statt dieses sofort digital aufzusetzen und in den Geschäftsgang zu geben, ist mir unverständlich. Auch dass uns Ende Januar ein Dokument zur Kostenentwicklung beim Ausbau des Kindergartens Balkhausen vorgelegt wurde, das bereits einen Monat zuvor in der Gemeinde eingegangen war, zeigt, dass der Zeitdruck teilweise hausgemacht war. Ganz interessant war auch eine Aussage von Herrn Bürgermeister Kreissl in der letzten HFA-Sitzung, dass die vorgeschlagenen Einsparungen bei den Vorbereitungszeiten in den Kindergärten so gar nicht umgesetzt werden können wie dargestellt, höchstens stufenweise und mit Augenmaß. Da fragen wir GRÜNEN uns schon, warum etwas erst als Einsparung vorgeschlagen wird, was man hinterher als gar nicht durchführbar darstellt.

Der umfangreichste Last-Minute-Verhandlungspunkt war die Umwidmung der Mittel der Hessenkasse. Diese wurden bereits seit 2019 bei der Finanzierung des Rathausforums immer in Abzug gebracht. In dem Projekt sind Fachplaner involviert, der Kontakt mit der WI-Bank scheint intensiv gewesen zu sein – aber erst jetzt kommt kurz vor den Haushaltsberatungen die Nachricht, dass man nicht parallel die Hessenkasse und KfW-Förderungen in Anspruch nehmen kann! Verwundert rieben wir uns die Augen: einerseits rettet uns dies den laufenden Haushalt und hilft, den Sanierungsstau abzubauen, aber warum ist das bislang niemanden aufgefallen? Da das Hessenkasse-Programm ausdrücklich auch auf Instandhaltung ausgelegt ist, konnten wir einer Aufteilung von ca. 25% des Zuschusses in Investitionsmaßnahmen und 75% für die laufenden Sanierungskosten mittragen, zumal wichtige Projekte wie Fassaden- und Dachsanierungen geplant sind. Aber auch hier kam nicht nur das Zahlenwerk spät, es war einige Tage danach schon wieder überholt, ohne neue Antragsvorlage. (Lieber Herr von Ah, ich muss noch einmal hervorheben: Sie haben sich hier wirklich wahnsinnig reingekniet und engagiert, ich möchte mich nochmal ausdrücklich bedanken, dass Sie alle Anfragen gewissenhaft und ausführlich beantwortet haben, und geben Sie den Dank auch bitte an Frau Rohs weiter. Dieser schnelle und direkte Austausch, gerade wenn die Zeit drängt, hat sich sehr bewährt in letzter Zeit.

Was uns GRÜNE dagegen auf der politischen Ebene sehr geärgert hat, waren die Sparvorschläge, vor allem im Haushaltssicherungskonzept: fast alle davon im sozialen Bereich. Kindergärten, Jugendarbeit, Jobticket – hier sah die Verwaltung viel Sparpotential, aber kein Cent kam zum Beispiel aus Straßenbau, Ordnungsamt oder den Liegenschaften. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir Mehrheiten finden konnten, diese Kürzungen nicht umzusetzen. Dies war uns eines der wichtigsten Anliegen. Wir haben auch nur deshalb zugestimmt, dass das Jobticket erst ab 2023 umgesetzt werden soll, weil wir im Rahmen der Diskussion gemerkt haben, dass die Vorarbeiten in der Verwaltung nicht von der Stelle kommen. Hier mahnen wir mehr Engagement an, damit das Jobticket, wie auch vom Personalrat angesprochen, ab 2023 endlich angeboten werden kann.

Einer der großen Kostentreiber dieses Haushalts ist die Instandhaltung. Klar ist: wir haben einen Sanierungsstau in Seeheim-Jugenheim, und die Notwendigkeit der Erhaltung bestehender Infrastruktur ist uns allen bewusst. Auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist Erhalten immer besser (und meist dann doch günstiger) als marode Straßen und Gebäude komplett neu bauen zu müssen. Die Steigerung der geplanten Maßnahmen gegenüber den Vorjahren ist jedoch sehr ambitioniert. Zumal derzeit mit dem Rathausforum, dem Feuerwehrstützpunkt Seeheim sowie den Kindergartenbauten auch viele große Investitionsprojekte zu betreuen sind. Da uns die Verwaltung und Herr Bürgermeister Kreissl mehrfach versichert haben, dass sie diese Pläne für realistisch halten, haben wir in diesem Bereich moderate, aber keine drastischen Kürzungen mitgetragen. Vielmehr betrachten wir dies als Selbstverpflichtung des Bürgermeisters und werden beobachten, inwieweit dieses Sanierungsziel erreicht wird. Besonders, da mit vielen Maßnahmen erst nach Vorlage des genehmigten Haushalts im Mai begonnen werden kann. Wir GRÜNEN wünschen der Gemeindeverwaltung gutes Gelingen hierbei und werden die Umsetzung verfolgen.

Wo Licht ist, ist jedoch immer auch Schatten: Aufgrund der Umwidmung der Mittel aus der Hessenkasse können wir den Haushalt mittelfristig bis 2025 ausgeglichen halten, sofern die vom Land prognostizierten Steuermehreinnahmen wirklich kommen. Wir können auf Steuererhöhungen verzichten und den Sanierungsstau abbauen. Aber nun kommt das große ABER: dadurch wird das Rathausforum komplett kreditfinanziert, für 30 lange Jahre. Weitere drastische Kostensteigerungen sind uns schon vorgerechnet worden, diese werden den Gemeindehaushalt über Jahrzehnte stark belasten und Liquidität binden. Trotz niedriger Zinsen – Kredite müssen immer zurückgezahlt werden! Der Spielraum, den wir uns für die kommenden 3-4 Jahre geschaffen haben, der wird, zusätzlich mit Zinseffekt, die Gemeinde über 30 Jahre belasten. Ich persönlich gedenke, noch so lange in Seeheim-Jugenheim zu leben und Steuern zu zahlen, und empfinde das durchaus als eine bedenkliche Einschränkung zukünftiger Handlungsfähigkeit. Klar ist, dass dieses Großprojekt im Grunde genommen eigentlich unsere Finanzkraft übersteigt.

Wenigstens für eines konnten wir GRÜNEN mit viel Herzblut und Überzeugungsarbeit sorgen: dafür, dass im KfW40-Standard mit zukunftweisendem Energie- und Heizkonzept gebaut wird. Dies ist für die kommenden Jahrzehnte immerhin ein Vorteil, für den wir heute schon sorgen können. Dass überhaupt im Jahr 2021 ein solches Projekt zunächst mit konventionellem Effizienzstandard geplant wurde, ist uns GRÜNEN unverständlich. Hier hätten wir vom Bürgermeister und dem Fachplaner nachhaltigere und innovativere Lösungen und Konzepte von Anfang an erwartet. Die Mehrkosten der höheren Effizienzklasse amortisieren sich durch Einsparungen bei laufenden Kosten über die gesamte Nutzungsdauer des Rathausforums. Zudem werden nur mit diesem Standard noch zukünftige Förderungen möglich sein, nachdem das Vorgängerprogramm von der letzten Bundesregierung bekanntermaßen mit zu wenig Mitteln ausgestattet wurde und vorzeitig abgebrochen werden musste.

Und nicht nur das Rathausforum wird in den nächsten Jahren mit derzeit geplanten fast 25 Mio EUR Investitionssumme den Schuldenberg von Seeheim-Jugenheim explodieren lassen. Allein in 2022 sollen die Schulden planmäßig von derzeit 11 Mio EUR um 9-10 Mio EUR steigen, dies ist fast eine Verdoppelung innerhalb eines Jahres! Und nur 2 Mio EUR davon sind überhaupt für das Rathausforum. Fakt ist, dass wir derzeit sämtliche Investitionen nur über Kredite finanzieren können, und je größer die Kreditlast wird, desto kleiner wird der Spielraum für künftige Jahre werden. Und hier denken wir nicht an die nächsten 3, sondern die nächsten 30 Jahre. Deswegen können und wollen wir GRÜNE die Augen nicht vor den langfristigen Auswirkungen verschließen, die die heutigen Entscheidungen haben. Daher wird unsere Fraktion, wie üblich ohne Fraktionszwang, sich zum Großteil enthalten, aus denselben Gründen aber auch teilweise ablehnen. Wir sehen keinen Sinn darin, diesen Haushalt komplett zu blockieren, gleichzeitig können wir auch nicht vorbehaltlos zustimmen.

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